links - linksextrem: Zur Frage der Gewalt

Es ist zu einfach zu behaupten, dass sich links und Gewalt ausschließen. Es gibt einen Zusammenhang - und dies von Anfang an.

So sehr ich Karl Marx als Philosoph und Systemkritiker verehre und bewundere, so sehr halte ich seine Zukunftsvision für einen gefährlichen Religionsersatz. Man muss wissen, im 19. Jahrhundert beerben politische Weltanschauungen das schwächer werdende Christentum: Nationalismus, Sozialismus, Rassismus … (übrigens auch der Wissenschaftspositivismus).

Ein Erbe ist eine Überzeugung, dass das Bestehende kaputt gehen muss, bevor Neues entsteht. Das ist das apokalyptische Erbe aus der Religion.
„Brüder zur Sonne, zur Freiheit,
Brüder, zum Lichte empor! …
Brüder, das Sterben verlacht,
heilig die letzte Schlacht!“ - das wird auf SPD- Parteitagen gesungen!

Wer also aus linker Perspektive das kapitalistische System für nicht reformierbar hält und wer ein Augenmerk auf die tatsächlich todbringende Dynamik des herrschenden globalen Kapitalismus richtet, dem stellt sich die Frage nach der Gewalt.

Marx selber sprach dem gewaltsamen Umsturz eine doppelt reinigende Funktion zu. Erstens beseitigt der Umsturz die herrschende Klasse , zweitens aber hat er eine läuternde Funktion für die sich erhebenden Massen (übrigens: das war in der französischen Revolution nicht anders). „… weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Gründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“ (Marx).

Ich halte dies übrigens für eine völlige Verkennung des Wesens von Gewalt - wie sie sich auch im Schanzenviertel gezeigt hat.

Jutta Dithfurt hat übrigens in der letzten Maischberger-Sendung sehr Interessantes und Kluges zum Thema offenbart: welche politische Rolle kalkulierte Gewalt gegen Sachen aus der Perspektive der Linken gespielt hat (sie ist dort - und ich gestehe: ich kann sie nicht leiden - derart bescheuert behandelt worden …).

Ich empfehle hier übrigens ein tolles Buch von Ulrike Herrmann: „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“ :-)

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Kommentare: 6
  • #1

    Yohari (Mittwoch, 19 Juli 2017 10:03)

    Ich lehne mich auf gegen den Gedanken, dass es einer Gewalt bedarf, wie sie sich im Schanzenviertel enthemmt hat, um dem Kapitalistischen System entgegen zu treten.
    Doch weiß ich leider auch noch nicht um die Form der Gewalt, die der des Kapitalismus, wie sie sich gegen uns richtet, entspräche.
    Auch ich fühle mich ohnmächtig und kann in gewisser Weise, die Leute, die das Schanzenviertel verwüstet haben, verstehen, doch verachte und verabscheue ich sie für das was sie da getan haben.
    Wenn diese Leute die Alternative zum Kapitalistischen System sein sollen, so möchte ich lieber beim jetzigen Kapitalismus bleiben - die Scheiße kenne ich zumindest einigermaßen.
    In einem FR-Artikel habe ich gelesen, dass der Unterschied des linken Terrors zum rechten der sei, dass sich der linke nur gegen Sachen richte und nicht gegen Menschen.
    Wie sind die Angriffe auf Polizisten zu sehen? Wird da das Menschsein von Polizeibeamten in Frage gestellt oder was?
    Was bedeutet die Zerstörung, die Verwüstung von Lebensräumen für die Nutzer dieser Lebensräume?
    Für mich sind die Unterschiede zwischen rechtem und linkem Terror, zwischen braunem und schwarzen Block marginal.

  • #2

    dke (Mittwoch, 19 Juli 2017 10:28)

    Ja, diese Unterscheidung zwischen Personen und Sachen ist wohl üblich. Nur gehen einige "Linke" weiter und sehen Polizisten als Systemvertreter, nicht als Menschen.

    Fakt ist, dass in den letzten Jahrzehnten durch linke Gewalt niemand, durch rechte Gewalt ca. 100 Menschen getötet wurden.

    Ich würde aber auf jeden Fall die Hamburger Randale nicht als Terror bezeichnen.

  • #3

    Yohari (Mittwoch, 19 Juli 2017 11:18)

    Warum ist das kein Terror? Weil es spontan, gedankenlos und völlig emotional passiert ist?

  • #4

    dke (Mittwoch, 19 Juli 2017 11:45)

    Weil Terror eine gezielte Tötungsaktion ist, die nicht das Töten als Ziel hat, sondern als Mittel benutzt, um Schrecken zu verbreiten. Dieser Schrecken ("Terror") soll dazu dienen, eine Gruppe, ein Volk oder einen Staat in eine ohnmächtige Lage zu versetzen, die sie/ihn manipulierbar oder beherrschbar macht.
    Es gibt Terror von oben (siehe frz. Revolution, dort wurde das Terrorregime erfunden) und von unten.

  • #5

    Yohari (Mittwoch, 19 Juli 2017 12:13)

    Verstehe und gehe mit!
    Ich fände es interessant, mir wie in einer Simulation anschauen zu können, was diese Leute tun würden, wenn sie wirkliche Macht in die Hände bekämen.
    Die französische Revolution gibt da zumindest ein Beispiel, welches mich wenig zuversichtlich macht, dass aus der enthemmten Wut unter gegebenen Umständen kein Terror werden würde.

  • #6

    dke (Mittwoch, 19 Juli 2017 12:25)

    In der neuen ZEIT ist ein guter Artikel über die unterschiedlichen Gruppen, die sich da ausgetobt haben. Es war teilweise so, dass Autonome versucht haben, Randalierer zu stoppen.
    Und natürlich dürfen weder die "Spaß-Randalierer" noch die Linksextremen je die Macht kriegen.
    Man verkenne nicht, dass Gewalt wie eine Droge wirkt. Es ging dann überhaupt nicht mehr um Politik, sondern um den Rausch, Tabus zu verletzen und sich selbst zu spüren.